Tausende von Esoterikern wollten am 21. Dezember auf einem heiligen Berg in Argentinien den Beginn einer neuen Ära feiern. Jetzt machen ihnen die Behörden einen Strich durch die Rechnung.

Nina Merli

20. Dezember 2012
Seit dieser Woche ist es vorbei mit der Ruhe in Capilla del Monte, einem kleinen Städtchen in der argentinischen Provinz Cordoba. Schuld ist der bevorstehende «Weltuntergang», der seit Tagen massenhaft Schaulustige, Touristen und Esoteriker anzieht. Schätzungsweise über 15’000 Menschen sind angereist, um die diesjährige Wintersonnenwende zu feiern. Denn während Apokalyptiker für das morgige Datum das Ende der Welt voraussehen, bereiten sich Esoteriker auf den Beginn einer neuen Ära vor. Und genau diesen Übgergang in eine andere Dimension wollte man auf dem Gipfel des berühmten Hausberges Uritorco (siehe Box) feiern. Doch weil auf der Social-Media-Plattform Facebook eine Gruppe von rund 150 Teilnehmern zum Massenselbstmord auf ebendiesem Berg aufgerufen hatte, liessen ihn die Behörden von Capilla del Monte absperren.

«Eine Frechheit»

Gustavo Sez, Bürgermeister des einstigen Hippiedorfes, erklärte gegenüber argentinischen Medien, dass die Schliessung auf Wunsch der Eigentümerin Sonia Anchorena und des Verwalters des Berges Rafael Garcia veranlasst wurde. «Natürlich kann es sich beim Aufruf zum Massenselbstmord um einen Witz handeln, aber man weiss nie, was tatsächlich passieren wird», rechtfertigte Sez den Entscheid, der viele Bewohner des Dorfes vor den Kopf gestossen hat. Man habe kein Risiko eingehen wollen und den Berg präventiv abgesperrt. «Der Zugang zum Uritorco wird bis Samstag nicht möglich sein».
Die Nachricht kommt bei vielen Bewohnern Capilla del Montes, die sich schon seit Wochen auf den morgigen Event vorbereitet haben, gar nicht gut an. Allein schon die Tatsache, dass der Berg seit einigen Jahren in Privatbesitz sei, sei« eine Frechheit», ärgert sich Mirilanu Toledo. «Der Uritorco wurde von den Ureinwohnern dieser Gegend, den Comechingones, als heiliger Berg verehrt. Jetzt gehört er einer der reichsten Familien Argentiniens, die von allen Eintritt verlangt, die den Berg besteigen wollen.» Toledo hat drei Jahre in Capilla del Monte gelebt, aber ist vor einigen Monaten weggezogen – nicht zuletzt wegen der fortlaufenden Kommerzialisierung des Ortes. Leider sei in Hinblick auf den 21. 12. 2012 (das Dorf gilt als weltuntergangsimmun) das Leben in Capilla del Monte und Umgebung immer teurer geworden. «Die Immobilien- und Grundstückpreise sind dermassen in die Höhe geschossen, dass sich eigentlich nur noch Ausländer etwas leisten können.» So wurden beispielsweise letztes Jahr grosse Landteile von amerikanischen Anhängern der Ramtha-Bewegung aufgekauft.

Wasserengpässe an der Tagesordnung

Während man sich noch bis vor kurzem über die vielen internationalen Zuzügler freute, ist die Stimmung momentan am Kippen. Das einstige kleine Hippiedorf ist in kürzester Zeit derart gewachsen, dass die Infrastruktur mit dem Wachstum nicht mithalten kann. «Seit einigen Monaten haben wir Probleme mit der Wasserversorgung», sagt Ignazio Pontes, der seit über zehn Jahren in Capilla del Monte lebt. «Das Wasser ist knapp geworden und wird immer wieder stundenweise abgestellt». Das Giessen von Gärten, das Waschen von Autos und das Füllen von Swimmingpools sind schon lange verboten.
Mit dem angeblichen Weltuntergang hat sich die Lage in Capilla del Monte nun zusätzlich zugespitzt. Man sei froh, wenn endlich wieder Ruhe einkehre, so Pontes. Einerseits sei man ja auf die Touristen angewiesen, aber das aktuelle Ausmass an Interesse sei «nahe am Unerträglichen». Derweil gehen die Eventvorbereitungen für den morgigen Tag in Capilla del Monte voran. Geplant sind verschiedene Konzerte, Gruppenmeditationen, spezielle Maya-Zeremonien, UFO-Vorträge und Lesungen. Bürgermeister Sez ist zuversichtlich, dass trotz Schliessung der Hauptattraktion der 21. Dezember Positives bringen werde. «Es wird ein grosses mystisches Treffen werden. Laut dem Maya-Kalender gehen wir von einem dunklen Zeitalter in ein Zeitalter des Lichts über, in der Liebe und Harmonie überwiegen werden», sagte er gegenüber einem Stadtblog. Und er sei stolz, dass die Leute diese neue Harmonie ausgerechnet in seiner Stadt empfangen wollen.